DAX DIGITAL
MONITOR
DDM.Zielsetzung
Die Digitale Transformation betrifft alle Unternehmen, denn die Auswirkungen von digitalen Prozessen, Produkten und Plattformen mit den zugehörigen neuen digitalen Geschäftsmodellen beeinflussen die bekannte reale Handelsebene ebenso, wie sie eine neue elektronische Handelsebene diktieren. Dies stellt insbesondere die großen etablierten Unternehmen vor besondere Herausforderungen, da sie einerseits das reale Kerngeschäft (auch mit Hilfe der Digitalisierung) weitertreiben aber eben auch das digitale Innovationsgeschäft entwickeln müssen.
Um diesen Spagat zu meistern, brauchen sie neben einer Implementierung von digitalen Technologien auch das digitale Wissen rund um digitale Geschäftsprozesse und -modelle. Dieser Mix aus technologischen und managementorientierten Kompetenzen muss zudem mit den handelnden Akteuren in der Unternehmensführung verbunden sein, damit neben der Prozess-, Produkt- und Plattform-Entwicklung auch die gesamte Organisation und die übergeordnete Strategie des Unternehmens auf die digitalen Herausforderungen eingestellt wird. Hierbei gilt es wie so oft, dass diese digitalen Beeinflussungen von der Spitze eines Unternehmens gemeistert werden müssen.
Der DAX DIGITAL MONITOR untersucht auch in seiner fünften Ausgabe die Geschäftsberichte aus dem Jahr 2023 der DAX40-Unternehmen in Deutschland und analysiert dabei die berichteten Maßnahmen zur „Digitalisierung“, den Umfang und die Einheitlichkeit der Berichterstattung zur „Digitalisierung“ sowie die Verankerung eines Digital Leadership mit den zugehörigen Digitalkompetenzen auf der Top-Führungsebene. Auch die nichtfinanzielle Berichterstattung wird in diese Analyse mit einbezogen. Ein zusätzlicher Schwerpunkt in diesem Jahr waren die Darstellungen zur Corporate Digital Responsibility (CDR) und dem Einsatz der Künstliche Intelligenz (KI).
Das Themenfeld „Digitalisierung“ hat dabei erneut an Bedeutung gewonnen. Allein der Begriff wurde diesmal insgesamt rund 5.340-mal verwendet, was einer Steigerung von +22 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. 7 DAX-Unternehmen widmen der Digitalisierung inzwischen einen eigenen Berichtsbereich. Und auch das Themenfeld „Künstliche Intelligenz (KI)“ hat in den Berichten deutlich zugelegt. An insgesamt 1440 (Vorjahr: nur 205) Textstellen, wird darauf eingegangen, was einem hohen Zuwachs von Faktor 7 entspricht. Nur noch 2 (im Vorjahr waren es noch 11) der DAX-Unternehmen erwähnen das Thema „Künstliche Intelligenz“ in der Berichterstattung überhaupt nicht. Im Umkehrschluss ist es somit bei 95 % aller DAX-Unternehmen in den Geschäftsberichten angekommen.
„Die große Bedeutung der Digitalisierung für die DAX-Konzerne kann über die Geschäftsberichte nochmals deutlicher beobachtet werden, als im Vorjahr. Umso erstaunlicher ist aber, dass dieses Thema zunehmend nicht mehr von einem eigenständigen Chief Digital Officer im Vorstand vertreten wird. In der Folge ist der Mut zu digitalen Innovationen auf dem Rückzug und auch die Künstliche Intelligenz wird wieder nur für Automatisierung und Kosteneinsparung genutzt. Ein digitales Made-in-Germany wird es so nicht geben!“
Prof. Dr. Dirk Stein, FOM Hochschule (Autor der Studie)
Wer
wurde untersucht?
DAX40-Unternehmen in Deutschland
Wie
wurde untersucht?
Analyse der Geschäftsberichte 2023
Adidas, Airbus, Allianz, BASF, Bayer, Beiersdorf, BMW, Brenntag, Commerzbank, Continental, Covestro, Daimler Truck Holding, Deutsche Bank, Deutsche Börse, DHL Group, Deutsche Telekom, E.ON, Fresenius, Hannover Rück, Henkel, Heidelberg Materials, Infineon, Mercedes Benz Car Group, Merck, MTU Aero Engines, Münchener Rück, Porsche AG, Porsche SE, Qiagen, Rheinmetall, RWE, SAP, Sartorius, Siemens, Siemens Energy, Siemens Healthineers, Symrise, Volkswagen, Vonovia, Zalando
Was
wurde untersucht?
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Verankerung der Digitalisierungsverantwortung und -kompetenz auf Vorstandsebene
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Verankerung der Digitalisierungsverantwortung und -kompetenz im Aufsichtsrat
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Verankerung der Digitalisierung in der Top-Management-Vergütung
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Berichtete Themenfelder (inkl. Künstliche Intelligenz) mit Maßnahmen zur Digitalisierung
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Aussagen zur Corporate Digitale Responsibility (CDR)
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Umfang und Einheitlichkeit der Berichterstattung zur Digitalisierung
„Die Künstliche Intelligenz bringt die DAX-Konzerne in eine Zwickmühle. Auf der einen Seite soll diese neue Technologie die Prozesse automatisieren und damit Arbeitsplätze einsparen helfen. Auf der anderen Seite werden dringend Mitarbeiter mit Digital- und Datenkompetenz gerade für die KI-Anwendungen gebraucht. Die resultierende Situation ist wie ein Tanz auf dem Drahtseil zwischen der Angst der Mitarbeiter vor der KI und der Hoffnung, dass sich gerade diese Mitarbeiter für die KI weiterbilden.“
Prof. Dr. Tobias Kollmann, Universität Duisburg-Essen (Autor der Studie)
DDM.Ergebnisse
Verankerung im Vorstand
Die Digitalkompetenz auf Vorstandsebene ist erstmals seit 5 Jahren leicht rückläufig, was auf Wechsel im Vorstand zurückzuführen ist. Die Digitalisierungsverantwortung/-kompetenz ist entsprechend um 15 % zurückgegangen. Das bedeutet, dass nur noch bei 68 % der DAX40-Unternehmen die Digitalisierung auf der Vorstandsebene verankert ist. Die ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder mit Digitalkompetenz wurden offensichtlich nicht mit Personen nachbesetzt, die eine solche explizit ausweisen.
Dort, wo die Digitalisierungsverantwortung und -kompetenz auf Vorstandsebene zu beobachten ist, wird diese deutlich überwiegend in einer Doppelfunktion mit anderen Funktionsaufgaben verbunden (z.B. mit dem CEO oder CTO). Das einzige DAX40-Unternehmen, das den Digitalchef auch als „Chief Digital Officer“ (CDO) mit einem eigenständigen Ressort ohne Doppelfunktion ausweist, ist das Unternehmen Heidelberg Materials.
Verankerung im Aufsichtsrat
Die Verankerung der Digitalisierungsverantwortung/-kompetenz im Aufsichtsrat (AG-Seite) beträgt 93 % und hat sich im Vergleich zur Vorjahresberichterstattung um +10 Prozentpunkte erhöht.
Die Verankerung der Digitalisierungsverantwortung/-kompetenz im Aufsichtsrat (AN-Seite) liegt bei 83 % und ist im Vergleich zum Vorjahresbericht um +18 Prozentpunkte gestiegen.
Im Aufsichtsrat sieht es vor diesem Hintergrund auf den ersten Blick zwar besser aus, aber hier ist Vorsicht angesagt, denn die ausgewiesene Digitalkompetenz für AR-Mitglieder erfolgt aus Basis einer reinen Selbsteinschätzung. Dies kann durch die Lebensläufe der AR-Mitglieder in vielen Fällen nicht belegt bzw. verifiziert werden. Das führt offenbar weiterhin zu einem „Digital Washing“.
Verankerung im Vergütungssystem
Die Verankerung der Digitalisierung als Vergütungskomponente auf Vorstandsebene haben insgesamt 28 der DAX40-Unternehmen in der Geschäftsberichtserstattung ausgewiesen. Das entspricht einer Erhöhung um 7 Prozentpunkte im Vergleich zur Vorjahresstudie (dort waren es nur 25).
Es ist zu erwarten, dass die Digitalisierung als Vergütungskomponente auf der Ebene des Top-Management wie in den vergangenen fünf Jahren stetig weiter ansteigen wird. Dafür sorgen allein schon der Trend zu datenbasierten Geschäftsmodellen und die KI-Wirtschaft. Es wird aber entscheidend sein, dafür klar definierbare und zuordbare KPIs zu entwickeln, die eine Leistung in diesem Bereich klar messbar macht.
Künstliche Intelligenz (KI)
Die DAX-Konzerne haben (endlich) die Künstlichen Intelligenz (KI) nicht nur für sich entdeckt, sondern setzen diese an vielen Stellen auch schon ein bzw. planen eine zeitnahe intensive Nutzung. Dabei stoßen sie jedoch schnell an die Grenzen des Datenschutzes, der fehlenden Datenkompetenz bei Mitarbeitern und die noch fehlende Dateninfrastruktur für den Einsatz der KI-Technologien. Im Spannungsfeld zwischen Innovation und Regulierung konzentrieren sich die führenden deutschen Unternehmen laut dem aktuellen DAX DIGITAL MONITOR 2024 mal wieder auf das, was sie schon können: Automatisierung für mehr Effizienz und Effektivität bestehender Prozesse. Im Hinblick auf die Branchen ist dabei deutlich erkennbar, dass sich die DAX-Segmente „Elektronik, Hardware, Software“, „Finanzen“ und „Chemie, Pharma, Medizintechnik“ offensichtlich am intensivsten mit dem Thema KI auseinandersetzen. Das DAX-Segment „Maschinenbau, Verkehr, Logistik“ und alle weiteren Segmente berichten zumindest in deutlich geringeren Umfang zum Thema KI, was jedoch keinen grundlegenden Rückschluss auf die Planung sowie Nutzung und Bedeutung von KI bei den jeweiligen DAX40-Unternehmen zulässt. Deswegen lohnt sich ein Blick ins Detail.
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KI für die Automatisierung von Prozessen: Wenn die deutschen Unternehmen etwas können, dann ist es die Steigerung der Effizienz von unternehmensinternen Prozessen mit dem Ziel eine Optimierung und Automatisierung, um Kosten einzusparen. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn KI in erster Linie in diesem Feld zum Einsatz kommen soll.
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KI für die Entwicklung neuer Produkte: Viel spannender ist jedoch, ob die KI auch für Innovationen im Bereich der Produktentwicklung eingesetzt wird bzw. werden könnte. Doch hier sieht es in den Geschäftsberichten der DAX-Unternehmen deutlich magerer aus.
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KI für die Schnittstelle zum Kunden: Je weiter man sich mit einer KI dem Kunden nähert, umso dünner wird es in den Aussagen bei den DAX-Unternehmen. Es wird deutlich, dass der KI-Einsatz auf der Markt- und Kundenseite noch deutlich dem Einsatz bei internen Prozessen nachläuft. Dies kann sicherlich in Verbindung zu der Unsicherheit eines Konfliktes von KI-Anwendungen mit der DSGVO auf der Kundenseite in Beziehung gesetzt werden.
Für mehr Mut brauchen die Unternehmen offensichtlich mehr rechtlich sichere Leitplanken, die konkrete Vorgaben für einen verbindlichen Corporate AI Codex im Rahmen einer Corporate Digital Responsibility (CDR) machen.
Corporate Digital Responsibility (CDR)
Für eine echte Einbindung von Digitalisierung in die Unternehmensstrategie gilt es inzwischen auch, eine explizite Corporate Digital Responsibility (CDR) zu definieren. CDR lässt sich beschreiben als „freiwillige unternehmerische Aktivität im digitalen Bereich, die über das heute gesetzlich Vorgeschriebene hinausgeht und die digitale Welt aktiv zum Vorteil der Gesellschaft mitgestaltet“ (Dörr 2019). Nach den Vorstellungen des Bundesministeriums der Justiz sollte dies ein breites Spektrum an Handlungsfeldern abdecken; zu nennen sind beispielsweise Datenschutz, Cybersicherheit, digitale Mitarbeitereinbindung, digitale Teilhabe und Inklusion, digitaler Umweltschutz sowie digitale Bildung im Rahmen der eigenen Geschäftsmodelle und -prozesse.
Nicht zuletzt aufgrund der wachsenden Bedeutung der Künstlichen Intelligenz wird auch die Corporate Digital Responsibility (CDR) für die DAX-Unternehmen in Zukunft eine zunehmende Bedeutung bekommen. Warum? Weil die Verantwortung für die, auch und insbesondere bei der KI, eingesetzten Daten eine neue Bedeutung bekommen wird, und dies unmittelbar auf das Vertrauen bei Geschäftspartnern und Kunden im Umgang mit ihren Daten durchschlagen wird. Als Vorreiter in Sachen CDR kann die Telekom genannt werden, die sich seit 2017 mit diesem Thema beschäftigt und CDR dem Sustainable Development Goal 9 (SDG 9) zuordnet. Die Telekom und Zalando veröffentlichen zudem jährlich einen eigenständigen CDR-Bericht. Porsche hat zudem in der Geschäftsberichterstattung 2022 bestätigt, dass CDR integraler Bestandteil der Porsche Strategie 2030 ist. Es wäre hilfreich, wenn sich alle DAX-Unternehmen freiwillig einer CDR-Initiative anschließen würden, damit sich ein klarer Kriterienkatalog für die Berichterstattung herausbildet. Gelingt dies nicht, so müsste der Gesetzgeber aktiv werden, denn digitale Ethik und Verantwortung werden und müssen ein fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur werden.
Da laut dem DAX DIGITAL MONITOR 2024 einige Unternehmen wie Allianz, Commerzbank, Hannover Rück, Beiersdorf und Porsche im Hinblick auf die Künstliche Intelligenz schon an einer eigenen KI-Governance bzw. KI-Richtlinien arbeiten, besteht offenbar auch im Spannungsfeld mit den Vorgaben der DSGVO und dem EU AI-Act ein Vakuum der Unsicherheit, was KI darf und was nicht und welche Regeln nun dafür gelten sollen. Ein Corporate AI Codex im Rahmen der Corporate Digital Responsibility (CDR) wäre daher sinnvoll.
DDM.Autoren
Prof. Dr. Dirk Stein ist Professor an der FOM Hochschule und forscht am Institute for Strategic Finance zu den Themengebieten Digitale Transformation und Digital Entrepreneurship. Die beruflichen Stationen von Dirk Stein waren unter anderem verschiedene Forschungsinstitute an der RWTH Aachen, General Electric und KPMG. Stein wurde u.a. bei General Electric Capital mit dem Jack Welsh Leadership Award ausgezeichnet. Seine Schwerpunkthemen sind nachhaltige Betriebs- und Geschäftsmodelle für die Digital Wirtschaft.
Prof. Dr. Tobias Kollmann ist Professor der Universität Duisburg-Essen und ein anerkannter Experte für die Themen Digital Business, Digital Entrepreneurship, Digital Leadership sowie Künstliche Intelligenz im Rahmen eines Artificial Leadership bzw. Artifical Management. Seit 2015 ist er Mitglied im Aufsichtsrat vom börsennotierten Stahl- und Digitalkonzern Klöckner & Co SE. 2019 wurde er als stellvertretender Vorsitzender zudem in den Aufsichtsrat der COMECO GmbH & Co. KG, einem FinTech-Spin-off der Sparda Banken, berufen. Er ist zudem Leiter der netSTART-Academy, einem Weiterbildungsinstitut für Fach- und Führungskräfte zum Erwerb digitaler Kompetenzen.
DDM.Partner
Die QCI Corp. entwickelt Technologien, die das Leben für alle Menschen überall auf der Welt besser machen - für jede Person, jedes Unternehmen und jede Gemeinschaft auf diesem Planeten. Durch unser Portfolio an 3D-Technologie, IKT-Dienstleistungen und -Lösungen sowie Künstlicher Intelligenz schaffen wir Erfahrungen, die begeistern. Unsere intelligenten Lösungen lernen, sagen voraus und handeln, um sinnvolle Aufgaben in der realen Welt zu übernehmen. Mit der KI-Technologie von QCI erfinden wir die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, neu.
DDM.Presse
Über die Studie "DAX Digital Monitor" wurde u.a. hier berichtet: